Herbsttagung 2019

Das BTHG und dessen Umsetzung haben bereits jetzt große Auswirkungen auf die Eingliederungshilfe, sowohl auf das Leben der Menschen mit Beeinträchtigung als auch auf die Arbeit und Aufgabenfelder der Leistungserbringer und -träger.

Der Weg – weg vom Fürsorgeprinzip hin zur Personenzentrierung – erfordert einen Systemwandel innerhalb der Einrichtungen, der sehr vielschichtig und komplex ist. Aufgrund der fortschreitenden Entwicklungen in diesem Bereich und anstehender Veränderungen durch das BTHG befasste sich die diesjährige Herbsttagung der LAG HEP NRW e.V. am Donnerstag, 14.11.2019 im Gertrud-Bäumer-Berufskolleg in Lüdenscheid mit der Thematik „Sozialraum im Einfluss des BTHG - Auswirkungen auf das Arbeitsfeld und die Ausbildung der Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger und Sozialassistentinnen und -assistenten mit Schwerpunkt Heilerziehung“.   

Um einen möglichst breiten Einblick in die Thematik zu geben, gab es am Vormittag zunächst drei Vorträge von Fachreferenten, die sich mit unterschiedlichen Aspekten und Sichtweisen zum Thema Sozialraum auseinandersetzten.

Begonnen hat Herr Prof. Dr. Frank Dieckbreder von der Fachhoch-schule der Diakonie Bethel, der in seinem Vortrag zunächst auf die Bedeutung und das heutige Verständnis des Begriffes Sozialraum im Kontext des BTHG einging. Bezugnehmend auf die derzeitige Situation und die Herausforderung einer möglichen Integration und Umsetzung eines Fachkonzeptes der Sozialraumorientierung im derzeitigen Alltag, verwies Dieckbreder auf die fünf Prinzipien von Wolfgang Hinte. Er rückte neben der „Orientierung an den Interessen und am Willen“ (erstes Prinzip) die Netzwerkarbeit als eine notwendige Komponente   in den Fokus. Bereits nach diesem Vortrag stellte das Plenum heraus, dass es die Haltung und die Perspektive sind, die eine Person einnimmt, die entscheidend für die Umsetzung eines solchen Konzeptes sind und dass der ökonomische Aspekt sowie strukturelle Gegebenheiten dabei kontraproduktiv wirken und zu Einschränkungen in der Umsetzung führen.

Der zweite Referent des Tages, Herr Thomas Cordt vom Evangelischen Johanniswerk, schilderte nach einer einführenden Erläuterung zu der Veränderung der Sichtweise und den Begrifflichkeiten innerhalb der Eingliederungshilfe in den letzten Jahrzehnten, die Sicht eines Leistungserbringers und die eines Arbeitgebers auf die Veränderungen des BTHG in Hinblick auf die Sozialraumorientierung sowie die sich dadurch ergebenden Erwartungen an die Heilerziehungspflegerinnen und -pfleger. Cordt spricht der Berücksichtigung von Ressourcen eine immer größer werdende Bedeutung zu, darunter das Bündeln von Arbeitskräften, die Fähigkeit der Agilität, eine Stimulierung des Ehrenamtes, die Bildung von Kooperationen und ebenfalls der Ausbau von Netzwerken. Ein Arbeitgeber müsse sich vermehrt Gedanken um die Einstellungspolitik sowie die Zuweisung und Beschreibung von Arbeiten machen, Fortbildungen und Schulungen in den Fokus nehmen, Stellenanteile ggf. ausgliedern und Sonderdienste für übergreifende Tätigkeiten einrichten. Cordts Vortrag lässt auf die Handlungsnotwendigkeiten in der nahen Zukunft schließen und ergänzte somit den Beitrag von Dieckbreder.

Um eine weitere Perspektive zu beleuchten, wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Herbsttagung in einem dritten und abschließenden Beitrag des Vormittags durch den Nutzerrat der Evangelischen Stiftung LUDWIG-STEIL-HOF Espelkamp, unter der Leitung von Frau Sarah Dieckbreder-Vedder, Bereichsleitung Psychosoziale Rehabilitation, eine mögliche Umsetzung der im BTHG vorgegebenen Regelungen aus Sicht der Leistungsnehmer dargestellt. Die Mitglieder des Nutzerrates schilderten anschaulich wie sich die Umsetzung des BTHG auf ihren Alltag auswirkt, wie sie mit den Veränderungen umgehen und wie sie den bisherigen Umschwung erlebt haben. Die Umsetzung des BTHG erfolgt laut Dieckbreder-Vetter im LUDWIG-STEIL-HOF getreu dem Motto „Wenn wir für unsere Leute denken wie das BTHG umzusetzen ist, dann haben wir das BTHG falsch verstanden!“. So erfolgen jegliche Auseinandersetzungen mit den Strukturveränderungen sowie die Arbeiten zur Ausgestaltung des zukünftigen Alltags stets in Arbeitsgruppen, die aus Mitarbeitern und Bewohnern zusammengesetzt sind. Frau Dieckbreder-Vedder beendet den Beitrag mit dem Verweis auf weitere Aspekte, wie z.B. das Konfliktpotenzial, die Einführung von Deeskalationsmodellen sowie die Stärkung der Selbstwirksamkeit des Klientels und der Einrichtung von Unterstützerkreisen, die es in einem solchen Systemwandel zu berücksichtigen gilt.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Herbsttagung konnten aufgrund der Informationen aus den Beiträgen am Vormittag bereits auf die vielschichtigen Kompetenzen und Fähigkeiten schließen, die für einen Heilerziehungspfleger/eine Heilerziehungspflegerin in Zukunft relevant sein werden. Am Nachmittag bot sich ihnen die Möglichkeit, ihr Wissen diesbezüglich in weiteren Workshops zu vertiefen, sich mit Kolleginnen und Kollegen auszutauschen, Fragen zu klären und gemeinsam Ideen zur Umsetzung zu entwickeln. Jede/r Teilnehmer/in hatte die Möglichkeit, zwei der vier angebotenen Workshops zu besuchen.

  1. Unterstütze Kommunikation in der personenzentrierten Arbeit - wenn Menschen sich verstanden fühlen (Referent: Detlef Thiel-Rohwetter, Klinischer Linguist (BKL), Kommunikationspädagoge für Unterstützte Kommunikation (LUK) Bethel.regional)
  2. Wie kann ich mir den Sozialraum (mehr) erschließen? (Referentin: Meike Ude, Bildung und Beratung Bethel)
  3. Personenzentriertes Arbeiten im Sozialraum (Referentin: Sarah Dieckbreder-Vedder, Bereichsleitung Ev. Stiftung Ludwig-Steil-Hof, Espelkamp)
  4. Case Management im Sozialraum (Referent: Nico van Doornick, Casemanager, Bereichskoordinator im Ponatus-Careè Paderborn, Bethel.regional)

Deutlich geworden ist den Vertretern/-innen der nordrhein-westfälischen Fachschulen für Heilerziehungspflege sowie der Berufsfachschulen für Sozialassistenten mit dem Schwerpunkt Heilerziehung am Ende des Tages, dass ein Umdenken bereits in der Aus-bildung stattfinden muss, um den Systemwandel zu stützen und der Forderung nach Personenzentrierung und Partizipation nachzukommen.

Neben der Frage nach der Grundsatzhaltung und Einstellung zum Beruf sowie dem Wissen über die Anwendung der ICF wird zukünftig auch die Vermittlung von Wissen im Bereich des Rechtssystems eine immer größere Rolle spielen.

Herbsttagung 2018

Digitalisierung als Herausforderung für Lernende und Nutzer - Auswirkungen auf das Arbeitsfeld und die Ausbildung der HEP und HEH

Die Digitalisierung des Alltags stellt uns alle vor enorme Herausforderungen. Dies gilt besonders auch für Menschen mit Beeinträchtigungen, für die in der Digitalisierung aber gerade auch große Chancen zur Förderung der sozialen Teilhabe und Inklusionliegen.

Auf der diesjährigen Herbsttagung der LAG HEP NRW e.V. am Donnerstag, 22.11.2018 in der Liebfrauenschule Geldern – Berufskolleg des Bistums Münster bildeten sich ca. 75 Fachlehrer/innen zu diesem aktuellen Thema weiter. Als Vertreter/innen der nordrhein-westfälischen Fachschulen für Heilerziehungspflege sowie der Berufsfachschulen für Sozialassistenten mit dem Schwerpunkt Heilerziehung nahmen sie viele Anregungen für die Ausbildung in Theorie und Praxis mit.

Durch die zukunftsweisenden Vorträge der Referenten des PIKSL Labors aus Bielefeld1 sowie der Referenten von barrierefrei kommunizieren! aus Bonn2  erhielten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Vormittag vielfältige Informationen und Einblicke in die derzeitigen Möglichkeiten und Umsetzungen der Digitalisierung.

Am Nachmittag ermöglichten anschließende Workshops eine weitere Vertiefung, z.B. durch praktische Beispiele zur barrierefreien Kommunikation mittels Digitalisierung, die Möglichkeit der exemplarischen Erprobung dieser und natürlich den Austausch mit den Experten und den Fachkollegen/innen.  Chancen und Risiken dieser Entwicklungen, auch bei effektiver und zielgerichteter Nutzung digitaler Medien in der Arbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen, wurden ausgelotet und diskutiert.

Die Fachtagung machte allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern deutlich, dass wir vor großen Veränderungen und Herausforderungen in Ausbildung und Praxis stehen. Es werden sich nun Überlegungen anschließen, wie man diese Erfahrungen und Informationen im Sinne einer inklusiven Medienpädagogik auch den künftigen

Heilerziehungspflegern/innen und den Sozialassistenten/innen mit dem Schwerpunkt Heilerziehung nahe bringt. Die Auszubildenden werden mit den neuen Entwicklungen auf dem Markt der Digitalisierung konfrontiert werden, sich diesen stellen, sich vertraut machen und Kompetenzen für Anleitungsprozesse erwerben. Dann können auch Menschen mit Beeinträchtigungen fachlich kompetent informiert und beraten werden, weil die gewünschte Nutzung durch entsprechend kompetente Fachkräfte begleitet und angeleitet werden wird. Spannend wird der Vermittlungsprozess in der (fach-)schulischen Ausbildung.

Die Referenten stehen auf Anfrage für Exkursionen ins PIKSL Labor, für Projekte oder für Gastvorträge an Schulen zur Verfügung und nutzen den regen Austausch auch für eigene Entwicklungs-ideen ihrer Projekte.

1 PIKSL = Personenzentrierte Interaktion und Kommunikation für mehr Selbstbestimmung im Leben   (Referenten: Frau Nowakowsi, Herr Koepsel, Herr Ratzmann), PIKSL Labor in Bielefeld

2 ein Projekt der Technischen Jugendfreizeit- und Bildungsgesellschaft (tjfbg gGmbH) das sich für die berufliche und gesellschaftliche Teilhabe Menschen mit und Behinderung mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationstechnologien einsetzt, Standort Bonn (Referenten: Frau Nehring und Herr Naujoks)

Herbsttagung 2017

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) _ Auswirkungen auf das Arbeitsfeld und die Ausbildung der HEP und HEH

Die Aussicht auf Informationen rund um die Einführung und Bestimmungen des BTHG lockte 87 Lehrkräfte der Mitgliedsschulen zur Herbsttagung in das Mildred-Scheel-Berufskolleg nach Solingen. Diese sollten am Morgen Antworten auf ihre Fragen zunächst von Katja Alfing, Referentin der Behindertenarbeit der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe e.V., erhalten. Frau Alfing stellte unter anderem die schrittweise Umsetzung des Artikel-Gesetzes in Reformstufen, Ziele und Prinzipien sowie allgemeine Regelungen vor. Besonders deutlich geworden ist die mit der Umsetzung des Gesetzes verbundene Veränderung der Eingliederungshilfe von einem Fürsorgesystem hin zu einem modernen Teilhaberecht. Das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsempfänger sowie eine konsequent personenzentrierte Ausrichtung der Leistungen werden Konsequenzen für die Teilhabe des betroffenen Personenkreises haben, die auch in den Ausbildungsorten Schule und Praxis aufgegriffen werden müssen.

Angelika Lenz und Daniela Nawrot-Heinen, KoKoBe des Kreises Kleve, nahmen  im zweiten Vortrag des Vormittags insbesondere rechtliche Veränderungen     in den Blick. Dabei wurde zum Beispiel deutlich, dass die Veränderung der „stationären“ hin zu „gemeinschaftlichen“ Wohnformen keine bloße Umbenennung ist, sondern die Eigenverantwortung der Leistungsempfänger durch die Trennung von existenzsichernden und Eingliederungshilfeleistungen stärkt. Aufgabe der Eingliederungshilfe ist demnach Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen sowie eine gleichberechtigte Teilhabe zu fördern. Auch die im Zuge der Einführung des Pflegestärkungsgesetzes II verbundene Änderung eines teilhabeorientierten Begriffs der Pflegebedürftigkeit inklusive eines neuen Begutachtungsinstruments zeigen bereits Auswirkungen für Menschen mit Behinderungen. Deutlich in den Blick genommen werden dabei unter anderem die Lebensbereiche psychische Problemlagen und die Gestaltung sozialer Kontakte, wodurch eine Ausrichtung der Hilfeleistungen am tatsächlichen Bedarf erfolgen kann.

Zu den Themen „Finanzierung“, „Teilhabe“, „Haltung/Berufsverständnis“, „Chancen und Gefahren für das Berufsfeld“ und „Beratung für die Klienten“ konnten in von den Referentinnen begleiteten Workshops Fragen geklärt und Erfahrungen ausgetauscht werden. Sämtliche Ergebnisse hierzu können im internen Bereich nachgelesen werden.

„Es gibt viel zu tun – packen wir´s an“ könnte verbunden mit „yes we can“ optimistisch-tatkräftiges Fazit in den Köpfen vieler Teilnehmender auf der Heimfahrt aus Solingen gewesen sein. (JB)